Zum lebendigen Adventskalender der Stadtbibliothek Pößneck sind an wechselnden Orten Lesungen und musikalische Darbietungen bei freiem Eintritt zu erleben. Dabei beteiligt sich auch die ukrainische Community, die regelmäßig die Vereinsräume von Mittendrin nutzen darf. Zeit Danke zu sagen, Zeit ins Gespräch zu kommen und sich kennenzulernen, Zeit um gemeinsam das Leben zu feiern.
Es gebe, sagt Natalia Blümel stellvertretend für die knapp 500 Geflüchteten in der Stadt, ein großes Bedürfnis, den zahlreichen Helfern bei vielen Gelegenheiten etwas zurückzugeben. Seit 2022 versuchen viele Pößnecker die Kriegsflüchtlinge in das städtische Leben zu integrieren und teilhaben zu lassen. Dieser Abend sei darum für alle da. Und man habe trotz Widrigkeiten den Mut und das Selbstbewusstsein, sich als Gruppe öffentlich zu zeigen, sagt Blümel.
Von der universellen Botschaft der Liebe
Ein Chor aus sechs Ukrainerinnen singen fröhliche Weihnachtslieder, übersetzt von Blümel. Eine umgeschriebene Volksgeschichte wird zweisprachig vorgetragen. Darin geht um eine Insel, auf denen die Werte symbolisch als Person leben, darunter Liebe, Reichtum, Stolz und Traurigkeit. Fast alle können die Insel verlassen, um ihre Werte in die Welt zu bringen. Außer die Liebe, für sie gibt es zunächst keinen Platz, sie wird schließlich vom Wissen mitgenommen. Denn erst die Zeit wisse, erklärt Wissen, wie wichtig die Liebe sein wird. Diese Botschaft wird, so die Volksgeschichte weiter, weitergetragen über die Welt und fester Bestandteil im Leben der Menschen. Aber allmählich, so die aktuelle Botschaft an die Zuhörer an dem ukrainischen Abend, bedroht von Kriegen. Die Menschen dürften, so die Lehre der Geschichte, nicht aufgeben, die Liebe zu verteidigen. „Denn wir alle haben nur ein Zuhause, diese Welt, dafür ist Liebe und Frieden notwendig“, übersetzt Blümel.
Hilfe zur Selbsthilfe
Für die tägliche Arbeit und Betreuung durch den Behördendschungel und Alltag ehren an dem Abend die Geflüchteten verdienstvolle Pößnecker, die viel Mitmenschlichkeit in der Not beweisen. Ob es Orte für Treffen sind, Wohnungseinrichtungen, Arbeit oder Hilfe beim Ausfüllen von Formularen, viele helfen aktiv nach ihren Fähigkeiten, sagt Blümel. Viele Ukrainer unterstützen sich mittlerweile untereinander selbst, organisieren ihr Leben neu. Sei es in der Betreuung und Bewältigung von Kriegstrauma im Kinder- und Jugendbereich, Freizeitgestaltung für Ältere oder berufliche Tätigkeiten: Da ist zum Beispiel der musikalische Andrej, den Senior kann man oft mit seinem Keyboard im Café Dittmann erleben. Er war früher an der Universität Kiew beschäftigt und entdeckte seine Liebe zum Tasteninstrument wieder. Oder Yuliia, die Kinder ehrenamtlich betreut, und mittlerweile bei GGP Media arbeitet. Von Kindern und Jugendlichen, die Kindergärten und Schulen besuchen und sich schnell lernen zu integrieren.
Aber auch von vielen Hürden mit der deutschen Bürokratie hört man beim anschließenden gemütlichen Abendessen. Von fehlenden Anerkennungen von Berufsabschlüssen, sprachlichen Hürden und mangelnden Sprachkursen. Viele arbeiten in qualifikationsfreien Jobs: „Unter anderem bei Cabka, Sedlmayer und GGP“, sagt Blümel. Sie weiß von sieben Ukrainer, die vorm russischen Angriffskrieg in Pößneck lebten. Aktuell sind es 497 Personen.
Quelle: OTZ